Im Zusammenhang mit deiner Zöliakie-Diagnose bist du vielleicht auch schon auf das Thema Osteoporose gestoßen. Diese Verminderung der Knochendichte kommt recht häufig bei Zöliakie vor. Warum das so ist, wen das vor allem betrifft und was man dagegen machen kann, möchte ich dir im folgenden Beitrag erklären.
Osteoporose - Was ist das eigentlich genau ?
Du hast davon bestimmt schon gehört, aber vermutlich eher als ein Thema bei älteren Frauen. Das kommt daher, dass Frauen mit den Wechseljahren und dem damit einhergehenden Nachlassen der Östrogen-Produktion ein besonders hohes Risiko für Osteoporose haben. Auch wenn man das Gefühl hat, dass der Knochen ein unveränderliches Gewebe ist, täuscht dieser Eindruck sehr. Der Knochen wird unser ganzes Leben lang ständig erneuert – es wird immer wieder neuer Knochen gebildet und alter abgebaut. In den ersten 25 Lebensjahren erfolgt - leicht nachvollziehbar - deutlich mehr Knochenaufbau. In dieser Zeit sollte die Grundlage für eine gesunde Knochenstruktur für das weitere Leben gebildet werden. Im mittleren Lebensalter bis etwa 40 Jahre halten sich Aufbau und Abbau ungefähr die Waage, danach sinkt die Knochenmasse langsam ab.
Wie ist der Knochen aufgebaut?
Die großen Knochen in unserem Skelett bestehen aus einer festen Außenschicht, der Kortikalis, und einer löchrig-schwammartigen Innenstruktur, der Spongiosa. Die Spongiosa besteht aus den Knochenbälkchen (=Trabekel), die die Zug- und Druckkräfte, die auf den Knochen wirken, optimal abstützen. In den „Löchern“ dazwischen sitzt das Knochenmark, das für die
Blutbildung zuständig ist. Gerade die Trabekel werden immer wieder an die jeweiligen Bedürfnisse und Belastungen angepasst, denen die Knochen ausgesetzt sind.
Bei der Osteopenie, der Vorstufe der Osteoporose, werden die Knochenbälkchen etwas weniger und die Dicke der Knochenwand reduziert sich ebenfalls. Bei Osteoporose nimmt das größere Ausmaße an und es kommt zu kleinsten Brüchen in den Trabekeln (=Mikrofrakturen). Die Stabilität des Knochens lässt in diesem Stadium deutlich nach. Zu Knochenbrüchen kann es aber auch schon bei der Osteopenie kommen.
Für die Stabilität des Knochens spielt aber nicht nur das reine Knochengewebe, sondern auch die Menge der eingelagerten Mineralstoffe, allem voran das Calcium, eine Rolle. Calcium wird mit der Nahrung über den Darm aufgenommen und mit Hilfe von Vitamin D in den Knochen eingelagert. Magnesium, Zink, Kupfer und zahlreiche Vitamine sind zusätzlich beteiligt.
Risikofaktoren für eine Osteoporose
Eine Minderung der Knochendichte ist eine schwerwiegende Veränderung am Knochen. Da sie zunächst keine oder wenige Beschwerden verursacht, bleibt sie aber sehr oft über lange Zeit unentdeckt. Es gibt etliche Risikofaktoren, die gut bekannt sind und bei denen auch gezielt auf die Knochendichte geachtet wird. Dazu zählt wie oben schon erwähnt vor allem das Alter und das Geschlecht. Frauen ab etwa dem 50. Lebensjahr sind besonders gefährdet. Das liegt überwiegend am dritten Risikofaktor – dem nachlassenden Östrogenspiegel. Denn gerade die Sexualhormone sind wichtige Unterstützer für den Knochenaufbau. Mangelnde Bewegung, Rauchen und Untergewicht, familiäre Veranlagung für Osteoporose sowie die dauerhafte Einnahme bestimmter Medikamente (z.B. Kortison) können ebenfalls eine Minderung der Knochendichte hervorrufen. Eine weitere Ursache können andere Erkrankungen sein, die durch ihr Krankheitsgeschehen eine negative Auswirkung auf die Knochendichte auslösen. Die Zöliakie ist dabei wichtige mögliche Ursache, die beachtet werden muss.
Faktoren, die die Entstehung der Osteoporose bei Zöliakie begünstigen
Zunächst sieht man die Zöliakie als Darmerkrankung, bei der die autoimmune Entzündungsreaktion eine Abflachung der Dünndarmschleimhaut zur Folge hat. Viele Nährstoffe können dadurch schlechter aufgenommen werden. Einer davon ist das Calcium. Der Körper benötigt aber für zahlreiche Stoffwechselprozesse Calcium. Der Spiegel im Blut muss dafür möglichst konstant gehalten werden. Gelangt zu wenig Calcium durch den Darm in den Körper, setzt dieser seine Reserven aus dem größten Calciumspeicher frei, den er hat – den Knochen. Dafür wird Parathormon aus der Nebenschilddrüse vermehrt freigesetzt. Es entsteht ein so genannter sekundärer Hyperparathyreoidismus. Parathormon bewirkt, dass die Knochen-abbauenden Zellen, die Osteoklasten, vermehrt aktiviert werden und so Calcium in den Blutstrom gelangt. Für die Knochensubstanz bedeutet das allerdings einen Verlust, wodurch Knochendichte und -mineralisation sinken.
Zu diesem Verlust tragen weitere Faktoren verstärkend bei:
- Die Entzündungsreaktion bleibt bei Zöliakie nicht auf den Darm beschränkt, sondern die Entzündungsbotenstoffe haben einen Effekt auf den gesamten Organismus. Sie bewirken ebenfalls eine Aktivierung der Osteoklasten und fördern damit den Abbau von Knochensubstanz.
- Bei vielen Frauen, aber auch bei Männern mit Zöliakie, verursacht die Krankheit eine Änderung im Hormonstoffwechsel (z.B. Zyklusstörungen) mit verminderter Ausschüttung von Östrogen (bzw. Testosteron). Wie in der Menopause wirkt sich das negativ auf die Knochensubstanz aus.
- Ein weiterer Faktor ist der Vitamin D-Mangel, der in der Allgemeinbevölkerung, aber auch bei vielen Zöliakie-Betroffenen zu finden ist. Unsere Haut bildet zwar durch den Einfluss von Sonnenlicht selbst Vitamin D, aber wir halten uns heutzutage zu wenig im Freien auf. Bei Zöliakie kommt hinzu, dass die Schleimhaut das Vitamin aus der Nahrung nicht gut aufnehmen kann.
Es entsteht aber nicht nur eine Veränderung in der Knochenmineralisation und dem strukturellen Aufbau. Es geht mit diesen Veränderungen auch ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche (= Frakturen) einher. Dieses wurde in zahlreichen Studien nachgewiesen sowohl für Oberschenkelhalsbrüche als auch für andere Frakturen. Das Risiko für einen Knochenbruch korreliert dabei mit dem Alter bei Diagnosestellung der Zöliakie - je älter bei Diagnose, umso höher ist das Risiko für eine Fraktur. Dabei zeigen manche Studien ein erhöhtes Frakturrisiko auch nach der Ernährungsumstellung auf die glutenfreie Ernährung.
Wie häufig kommt eine Minderung der Knochendichte bei Zöliakie vor – und inwiefern sind bereits Kinder und Jugendliche betroffen?
Eine Minderung der Knochendichte (Osteopenie) kann je nach Studie bei 30 – 60%, selten sogar bei 70% der Betroffenen nachgewiesen werden, eine Osteoporose (mit schwererem Umbau der Knochenstruktur) bei 18-35%. Damit weist tatsächlich ein beträchtlicher Teil an Zöliakie-Patienten und vor allem -Patientinnen diese Komplikation auf. Vor allem bei Betroffenen mit einer klassischen Zöliakie, die von starken Durchfällen, Gewichtsverlust und vielen Nährstoffmängeln geprägt ist, sollte
daran gedacht werden, dass die Zöliakie sich auch auf die Knochen ausgewirkt hat. Da die negativen Auswirkungen des Krankheitsgeschehens auch bereits im Kindes- und Jugendalter zu beobachten sind, ist die Entwicklung einer Osteoporose einer der wichtigsten Gründe, die Zöliakie möglichst frühzeitig zu diagnostizieren und vor allem zu therapieren.
Es ist anzustreben, eine Zöliakie am besten vor dem pubertären Wachstumsschub festzustellen, da in dieser Phase die meiste Knochensubstanz aufgebaut wird. Wird die Zöliakie vor Einsetzen des maximalen Längenwachstums bekannt, kann durch die glutenfreie Ernährung in den folgenden Jahren eine Normalisierung der Knochendichte erfolgen.
Welche Untersuchungen sind bei wem notwendig und sinnvoll?
Die Standarduntersuchung ist die Knochendichtemessung mittels DEXA-Methode (= Dual Energy X-Ray Densitometrie) an der Lendenwirbelsäule und den beiden Oberschenkelknochen. Sie kann unter bestimmten Umständen auch als Kassenleistung abgerechnet werden, bei anderen Methoden ist keine Erstattung über die gesetzlichen Krankenkassen möglich.
In der deutschen Zöliakie-Leitlinie von 2021 wurde erstmals eine Empfehlung zur Knochendichtemessung für Zöliakie-Betroffene aufgeführt. Darin wird festgehalten, dass eine Zöliakie ein erhöhtes Risiko für eine Osteoporose darstellt und daher allen Betroffenen ab dem 50. Lebensjahr eine Untersuchung angeraten wird. Liegen weitere Risikofaktoren vor, sollte die Untersuchung unabhängig vom Alter erfolgen. Das kann auch bei allen Betroffenen ohne Risikofaktoren etwa 1-1,5 Jahre nach Beginn der glutenfreien Ernährung erwogen werden. Als Risikofaktoren gelten die eingangs genannten allgemein bekannten Einflussgrößen. Untergewicht, eine frühe Menopause und eine späte Diagnose der Zöliakie sollten in der hausärztlichen Versorgung zu entsprechenden Testungen führen.
Calcium- und Vitamin D- Werte sind sinnvolle Bluttests und können durch zusätzliche Bestimmung des Parathormons ergänzt werden, um ein Gesamtbild des Knochenstoffwechsels zu erhalten.
Ist die Knochendichtemessung eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen?
Leider muss ich da sagen - es kommt darauf an. Vor 2013 wurde die Knochendichtemessung nur erstattet, wenn der Patient einen Knochenbruch hatte, der ohne entsprechenden Unfallhergang aufgetreten ist und damit verdächtig für einen Knochenschwund. Das ist seit der Änderung 2013 nicht mehr Voraussetzung. Die derzeitige Regelung beinhaltet, dass eine Behandlungsabsicht der Osteoporose auf der Überweisung zu vermerken ist. Nicht alle Praxen bieten den Test als Kassenleistung an. Liegt keine dringende Vermutung vor, dass bei dir eine Osteoporose bestehen könnte, die therapiert werden muss, ist die DEXA-Untersuchung eine Selbstzahlerleistung (IGeL). Sie kostet ungefähr 70€. Weitere Informationen zur Kostenübernahme findest du unter
Welche Therapiemaßnahmen werden bei einer Osteoporose und Zöliakie empfohlen?
Der wichtigste Schritt ist die Umstellung auf die glutenfreie Ernährung. Die Begleitung durch eine Ernährungsfachkraft ist bei bekannter oder vermuteter Verschlechterung der Knochendichte besonders sinnvoll, um die Versorgung mit den notwendigen Mineralstoffen und Vitaminen sicherzustellen. Du kannst auch bei glutenfreien Produkten darauf achten, dass z.B. schon dein täglich Brot hochwertig ist und z.B. Nährstoffe wie Magnesium und Zink enthält.
In den ersten beiden Jahren nach Diätbeginn zeigt sich die größte Verbesserung der Knochendichte. Daher kann auch so lange mit der Testung bei vielen Betroffenen ohne besondere Risikofaktoren gewartet werden. Dann sieht man am besten, von welcher Situation man dann mit weiteren Kontrolluntersuchungen und der Behandlung ausgehen muss.
Die Gabe von Calcium und Vitamin D sollte begonnen werden, wenn die Blutspiegel zu niedrig liegen. Vor allem eine ausreichende Calciumversorgung gemäß der Osteoporose-Leitlinie sollte sichergestellt sein. Die Vitamin D-Ergänzung wird in den meisten Übersichten eher als tägliche Gabe empfohlen, wobei sich Dosierung und Zielspiegel je nach Quelle unterscheiden können.
Was kannst du noch zusätzlich machen, um deine Knochen gesund zu halten?
Wichtige Therapie-Bausteine sind körperliche Bewegung und Krafttraining, die auch ohne bekannte Veränderung am Knochen in den Alltag eingebaut werden sollten. Der Knochen braucht diese Anregung, um mehr Knochenmasse und eine stabilere Struktur zu produzieren. Das kann auch im höheren Alter noch gelingen, um den raschen Knochenabbau zu verzögern. Das Meiden von Alkohol und Nikotin wirken sich ebenfalls positiv aus.
Kann man verhindern, dass sich die Zöliakie auf die Knochen auswirkt?
Eine frühzeitige Diagnosestellung der Zöliakie kann die negativen Auswirkungen der Erkrankung auf den Knochenstoffwechsel verhindern. Die Testung von Personen, die ein erhöhtes Risiko für eine Zöliakie haben, hilft dabei, Betroffene möglichst früh zu erkennen. Zu den Risikogruppen zählen erstgradige Verwandte von Zöliakie-Betroffenen, Personen mit einem Typ 1-(Autoimmun-) Diabetes mellitus oder einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse sowie genetischen Veränderungen wie einem Down- oder einem Turner-Syndrom (Frauen mit einem X-Chromosom).
Italien ist das erste Land, das ein Bevölkerungsscreening für Zöliakie eingeführt hat. Es wird allen Kindern zwischen 2 und 10 Jahren ein Test auf Zöliakie angeboten. Da sich die meisten Zöliakie-Fälle bereits in dieser Zeit entwickeln – oftmals über Jahre und Jahrzehnte ohne besondere Beschwerden – soll erreicht werden, solche Komplikationen durch frühzeitigen Beginn einer glutenfreien Ernährung zu verhindern.
Bei dir wurde eine Osteoporose festgestellt - muss dein Arzt dich jetzt auch auf Zöliakie testen?
Die Osteoporose-Leitlinie sieht die Zöliakie ebenfalls als Risikofaktor für eine Osteoporose. Dennoch gibt es keine Studien, die gut belegen, dass bei Feststellung einer Osteoporose (ohne dass bekannt ist, ob der- oder diejenige eine Zöliakie hat) in jedem Fall nach einer Zöliakie gesucht werden müsste. Dazu gibt es zu viele andere Auslöser und Ursachen für eine Minderung in der Knochendichte. Es ist aber sinnvoll, wenn Verdachtsmomente wie Magen-Darm-Beschwerden, Blutarmut ohne bekannte Ursache, familiäre Belastung mit Zöliakie und anderen Autoimmunerkrankungen und frühzeitigem Auftreten der Osteoporose vorliegen, eine Zöliakie-Diagnostik in die Wege zu leiten. Der Orthopäde sollte diese Punkte bei Feststellung einer Osteoporose möglichst berücksichtigen.
Calcium- und Vitamin D- Werte sind sinnvolle Bluttests und können durch zusätzliche Bestimmung des Parathormons ergänzt werden, um ein Gesamtbild des Knochenstoffwechsels zu erhalten.
Kurz zusammengefasst
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Eine Minderung der Knochendichte ist eine häufige Auswirkung der Autoimmunerkrankung Zöliakie. Man sollte in jedem Lebensalter daran denken, dass die Entzündungsaktivität den Knochenstoffwechsel negativ beeinflusst haben könnte.
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Je nach Alter ist eine entsprechende Diagnostik sinnvoll, um therapeutisch entgegenwirken zu können. Dabei ist die wichtigste Maßnahme die dauerhafte und konsequente Umsetzung der glutenfreien Ernährung.
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Ergänzungen mit Calcium und Vitamin D können notwendig und sinnvoll sein, um die Knochensubstanz wieder aufzubauen. Sportliche Betätigung und eine gesunde Lebensführung tragen wichtige Teile dazu
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Um die negativen Effekte möglichst gering zu halten, ist ein Screening von Risikogruppen oder gar der Bevölkerung hilfreich.
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Bei einer Osteoporose, deren Ursache unklar ist, sollte immer auch an eine Zöliakie als zugrunde liegende Erkrankung gedacht und getestet werden.
Literatur:
