Kann Hafer von Zöliakie-Betroffenen gegessen werden?
In diesem Beitrag erfährst du, welche Haferprodukte für Zöliakie-Betroffene geeignet sind, warum Hafer so gesund für dich ist, wie du sichere Haferprodukte erkennen kannst und wie und wann du am besten beginnst, Hafer in deine glutenfreie Ernährung einzuführen.
Ist Hafer für Zöliakie-Betroffene überhaupt geeignet?
Das kommt zunächst darauf an, um was für ein Haferprodukt es sich handelt. Hafer ist von Natur aus glutenfrei. Allerdings ist nicht speziell angebauter Hafer - auch in Bioqualität - stark mit den glutenhaltigen Getreiden Weizen und Gerste kontaminiert. Schon bei der Aussaat auf dem Feld geraten Körner dieser anderen Getreidesorten in das Saatgut. Damit kommt bereits bei der Ernte eine relevante Menge an ungeeigneten Körnern in den Hafer. Bei der weiteren Verarbeitung und Abfüllung können zusätzlich Verunreinigungen entstehen. Daher kannst Du also nicht einfach zu den normalen Haferflocken (oder anderen Produkten mit Hafer) im Supermarktregal greifen. Auch bei Hafermilch ist Vorsicht geboten.
Es gibt aber seit etlichen Jahren Haferprodukte, die als „glutenfrei“ ausgelobt werden. Dabei handelt es sich um entsprechend angebauten und verarbeiteten Hafer, der keine dieser Kontaminationen aufweist. Damit kann er dann als „glutenfrei“ bezeichnet und gekennzeichnet werden.
Wie musst du dir das nun genau vorstellen?
Bei Gluten handelt es sich ja um verschiedene Eiweiße, die in den entsprechenden Getreiden wie Weizen, Roggen oder Dinkel vorkommen. Hafer enthält im Vergleich zu diesen Getreiden zwar mehr Eiweiß, aber in einer völlig anderen Zusammensetzung. In den glutenhaltigen Getreiden nimmt die Gruppe der schädlichen Eiweiße fast die Hälfte des gesamten Eiweißanteils ein. Beim Hafer ist der Anteil der Prolamine, so nennt man chemisch die Eiweißgruppe, deutlich geringer. Er liegt nur bei etwa 10-15%.
Warum spielt das eine Rolle?
Eiweiße bestehen aus einer Kette von Eiweißbausteinen, den Aminosäuren. Diese werden bei der Verdauung voneinander getrennt. Dabei entstehen kurze Ketten, die dann im Darm aufgenommen werden können. Bei den Prolaminen von Weizen, Dinkel, Roggen und Gerste besteht die große Besonderheit, dass in ihnen überdurchschnittlich viele der Aminosäuren Prolin und Glutamin hintereinander gereiht sind. Diese kann der menschliche Darm nicht spalten. Es verbleiben dadurch längere Ketten, die vom Immunsystem des Zöliakie-Betroffenen als schädlich erkannt werden und die Abwehrreaktion einleiten. Im Avenin, dem Prolamin des Hafers, kommen zwar auch viele dieser beiden Aminosäuren vor, aber doch deutlich weniger als im Weizen. Daher können die Avenin-Eiweiße bei der Verdauung in kürzere Ketten zerlegt werden, die das Immunsystem nicht triggern. Es gibt nachweislich nach dem Verdauungsprozess keine Eiweißketten, die mit denen übereinstimmen, die bekanntermaßen die Zöliakie auslösen.
Mittlerweile gibt es zahlreichen Studien, die zeigen, dass die meisten Zöliakie-Betroffenen gut mit Hafer zurechtkommen. Auch über viele Jahre konnten weder Aktivierung der Antikörper noch Veränderungen der Schleimhaut oder Auftreten von Beschwerden nachgewiesen werden.
Dennoch gibt es immer wieder Berichte über Personen, die nach dem Verzehr von Hafer über Beschwerden klagen. In vielen Fällen lässt sich dies allerdings auf den hohen Gehalt an Ballaststoffen zurückführen, auf den viele Personen am Anfang empfindlich reagieren können. Das gilt insbesondere, wenn die Dünndarmschleimhaut noch sehr stark entzündlich verändert ist. Eine Untersuchung zeigte lediglich bei sehr wenigen Betroffenen eine Aktivierung von Immunzellen. Dabei wurden die weißen Blutzellen aber außerhalb des Körpers (ex vivo) untersucht. Von ihnen scheint aber im Körper keine wirkliche Aktivierung des Zöliakiegeschehens auszugehen. Die mittlerweile zahlreichen Studien über viele Jahre zeigen eine gute Verträglichkeit und hohe Akzeptanz der Haferprodukte durch die Zöliakie-Betroffenen.
Welche Vorteile hat Hafer?
Hafer wird allgemein als sehr gesundes Getreide angesehen, ja schon als Superfood. Tatsächlich hat er sehr viele günstige Eigenschaften, die ihn von anderen Getreiden abheben. Er ist zum einen besonders reich an verschiedenen Vitaminen und Mineralstoffen. Er weist besonders viel B-Vitamine auf, vor allem Vitamin B1 (Thiamin), das wichtig für Nerven und Konzentration ist. Aber auch Biotin, Folsäure und Vitamin K sind darin enthalten.
Magnesium, Phosphor, Eisen, Zink, Kupfer und Mangan sind ebenfalls in relevanten Mengen darin zu finden, also wichtige Mineralstoffe und Spurenelemente.
Auch die darin enthaltenen Makronährstoffe, also Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße, sind besonders gesundheitsfördernd:
Hafer enthält über 13% Protein mit vielen essentiellen Aminosäuren. Das sind die Eiweißbausteine, die der Körper mit der Nahrung aufnehmen muss, da er sie nicht selbst herstellen kann. Daher gilt das Eiweiß des Hafers als besonders hochwertig.
Deutlich über die Hälfte der Kohlenhydrate sind so genannte komplexe Kohlenhydrate. Der Darm muss diese erst in mehreren Schritten zerlegen, ehe sie aufgenommen werden können. Dadurch steigt der Blutzucker deutlich langsamer an als beim Verzehr einfacher Zucker. Das ist gut für den gesamten Zuckerstoffwechsel und trägt auch zu einem längeren Sättigungsgefühl bei.
Die Fette, die im Hafer enthalten sind, zeigen ein besonders günstiges Muster mit vielen ungesättigten Fettsäuren, was sich positiv auf Blutfette und Cholesterinwerte auswirken kann.
Zusätzlich besteht Hafer zu 10% aus Ballaststoffen. Fast die Hälfte davon ist Beta-Glucan, das erwiesenermaßen den Cholesterinspiegel senkt und auch zum langsameren Anstieg des Blutzuckers beiträgt, darüber hinaus deine Darmgesundheit und dein Immunsystem unterstützt und für ein längeres Sättigungsgefühl sorgt. Daneben sind weitere Ballaststoffe enthalten, die für die Darmtätigkeit hilfreich sind.
Sollten Zöliakie-Betroffene Hafer essen?
Das bleibt natürlich jedem selbst überlassen und man muss sich damit auch „im Kopf“ wohlfühlen – nicht nur im Bauch. Viele Betroffene hatten bis vor einigen Jahren große Bedenken, Hafer zu essen. Die Studienlage ist mittlerweile aber - wie schon gesagt -sowohl bei Kindern und Jugendlichen als auch bei Erwachsenen so gut, dass man davon ausgehen kann, dass der Verzehr viele Vorteile mit sich bringt. Hafer stellt in der glutenfreien Ernährung eine große Bereicherung dar. So schmeckt er den meisten gut und daher besteht ein großer Wunsch nach einer breiten Auswahl an Haferprodukten. Schon ein morgendliches Müsli mit Haferflocken erweitert das Spektrum an glutenfreien Lebensmitteln und ist für viele eine bekannte Normalität aus dem Leben vor der Zöliakie-Diagnose.
Die günstigen Eigenschaften von Hafer sind auch für Zöliakie-Betroffene von großer Bedeutung. Denn die zu geringe Aufnahme von Vitaminen, Mineralien und Spurenelemente ist ein häufiges Problem. Hier kann der Hafer zu einer besseren Versorgung mit diesen Nährstoffen beitragen.
Der große Anteil an Ballaststoffen trägt zu einer verbesserten Ballaststoffversorgung bei, die bei der sonst üblichen glutenfreien Ernährung oft zu kurz kommt. Daraus resultiert eine bessere Darmtätigkeit, ein längeres Sättigungsgefühl und ein positiver Einfluss auf die Darmflora.
Wie erkennst du sicher glutenfreie Haferprodukte?
Die Aufschrift „glutenfrei“ stellt sicher, dass der Hafer keine Kontamination mit Weizen etc. aufweist und das gekaufte Produkt weniger als 20 mg Gluten pro Kilogramm enthält. Das Glutenfrei-Symbol der durchgestrichenen Ähre der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft wird dabei um den Zusatz „Oats“ (engl. für Hafer) ergänzt, so dass man schon am Lizenzsymbol mit der Produktkennzeichnung sehen kann, dass Hafer enthalten ist.
Kurz zusammengefasst
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Hafer kann auch bei Zöliakie gegessen werden und wird von den allermeisten Betroffenen gut vertragen.
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Mit der Diagnose Zöliakie darfst du nur als "glutenfrei" gekennzeichneten Hafer und damit hergestellte Produkte zu dir nehmen.
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Hafer kann eine wertvolle Ergänzung in deiner glutenfreien Ernährung sein.
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Ein Beginn sollte frühstens 6 Monate nach Start der glutenfreien Ernährung erfolgen und die Menge sollte langsam gesteigert werden.