Die Autoimmunerkrankung Zöliakie führt durch die Entzündung in der Dünndarmschleimhaut im Verlauf der Erkrankung zu einer Abflachung der Schleimhaut. Damit verringert sich die Fläche, über die der Darm Nährstoffe aus der Nahrung aufnehmen kann. Das führt bei vielen Betroffenen dazu, dass sie Mängel an verschiedenen Vitaminen und Mineralien entwickeln. Auf welche Nährstoffe besonders geachtet werden sollte und welche im Weiteren ergänzt werden müssen, werde ich dir in diesem Beitrag erläutern.
Welche Mängel sind besonders häufig bei einem Zöliakie-Betroffenen, wenn die Diagnose neu gestellt wurde?
Am häufigsten fällt ein Eisenmangel auf. Dieser ist auch oft der Grund, warum überhaupt eine Zöliakie-Diagnostik in Gang gesetzt wird. Eisen wird im oberen Dünndarm aufgenommen. Der Körper benötigt Eisen, um den roten Blutfarbstoff (= Hämoglobin, Abk. Hb) zu produzieren. Viele Betroffene fallen daher durch eine Blutarmut (= Anämie) auf, wenn der Eisenmangel zu ausgeprägt ist. Da der rote Blutfarbstoff den Sauerstoff von der Lunge zu den Organen und Geweben transportiert, macht sich ein Mangel durch vermehrte Müdigkeit, Kopfschmerzen, Blässe und geringere Leistungsfähigkeit bemerkbar. Bei einer sehr ausgeprägten Anämie kommt es auch zu Kurzatmigkeit und Herzrasen. Um den Eisenmangel festzustellen, sollte der Ferritin-Wert untersucht werden. Das freie Eisen zeigt den Eisengehalt im Körper nicht gut an, da dieser Wert über den Tag sehr schwanken kann. Daher hat der Eisenwert aus dem Blut kaum Aussagekraft. Ein zu niedriger Ferritin-Wert spricht für einen Eisenmangel. Zusätzlich sollte natürlich auch der Hämoglobin-Wert untersucht werden, ob dieser normal oder bereits erniedrigt ist. Bei einem Eisenmangel sind die roten Blutkörperchen auch kleiner als normal. Werte, die die roten Blutkörperchen beschreiben wie z.B. das MCV, sollte dein Arzt also auch immer mit beachten, da es die Vermutung eines Eisenmangels schon unterstützt. Das MCV ist der Wert für die mittlere Größe der roten Blutkörperchen, wäre also bei Eisenmangel kleiner als normal.
Eine Anämie kann ebenfalls durch einen Mangel an Vitamin B12 und / oder Folsäure verursacht werden. Auch diese beiden Vitamine können bei einer frisch entdeckten Zöliakie vermindert sein. Daher sollten sie auch immer mit untersucht werden, wenn die Diagnose anfänglich gestellt wird. Folsäure ist für die Zellteilung notwendig und spielt daher vor allem auch bei Schwangeren in den ersten Wochen der Schwangerschaft eine wichtige Rolle. Grundsätzlich kann ein Mangel zu den oben beschriebenen Beschwerden bei der Blutarmut noch zusätzlich zu depressiven Verstimmungen und vermehrter Reizbarkeit führen. Auch Konzentrationsprobleme werden berichtet. Ein Vitamin B12-Mangel kann sich ähnlich bemerkbar machen. Dein Arzt sollte den Vitamin B12-Spiegel oder das Holotranscobalamin untersuchen, das ist die aktive Form des Vitamin B12. Dieser Test ist noch etwas genauer in der Aussage als der Vitamin B12-Wert. Um einen Folsäuremangel zu erkennen, sollte der Blutspiegel untersucht werden.
Ein ebenfalls häufiger Vitaminmangel bei Diagnosestellung einer Zöliakie ist ein Defizit an Vitamin D. Das hat gravierende Auswirkungen: Denn unabhängig vom Alter findet man bei 30-50% der neu Diagnostizierten eine verminderte Knochendichte. Dafür mitverantwortlich ist, dass durch die entzündete Schleimhaut das Calcium aus der Nahrung schlechter aufgenommen wird. Im Blut sieht man aber selten einen Mangel an Calcium. Denn dein Körper hat einen hohen Bedarf an Calcium für wichtige Funktionen wie Muskelarbeit. Um diese immer ausführen zu können, holt sich der Körper das Calcium aus seinem größten Speicher – den Knochen. Das hat dann zur Folge, dass der Knochensalzgehalt sinkt und die Knochendichte schlechter wird. Im Blut kann man die inaktive Vorstufe des Vitamin D untersuchen, das ist das 25-OH-Vitamin D. Da dieser Test relativ teuer ist, wird er ungern von den Hausärzten in Auftrag gegeben. Alternativ kann auch der Parathormon-Wert untersucht werden. Dieses Hormon wird von der Nebenschilddrüse produziert und wird vermehrt ausgeschüttet, wenn der Körper verstärkt Calcium aus dem Knochen abbaut. Daran sieht man dann, ob der Körper schon seine Reserven angreift und eine Unterstützung in Form von Calcium und Vitamin D benötigen könnte. Da die Auswirkungen der Zöliakie auf den Knochen so häufig und auch so ausgeprägt sind, ohne dass du das selbst merkst, ist es so wichtig, diese Untersuchungen vorzunehmen.
Ein weiteres häufiges Defizit ist ein Zinkmangel. Wenn Symptome wie vermehrte Infektanfälligkeit, schlechte Wundheilung oder Probleme mit Nägeln oder Haaren bestehen, sollte dieser Mangel abgeklärt werden. Bei Kindern und Jugendlichen kann sich ein Zinkmangel durch schlechtes Längenwachstum zeigen. Daher sollte bei einem Kleinwuchs immer auch der Zinkwert untersucht werden.
Es gibt auch weitere Vitamine und Mineralstoffe wie Vitamin K, das für die Blutgerinnung wichtig ist, oder die Blutsalze Kalium oder Magnesium, die manchmal zu wenig aufgenommen werden. Letztendlich gibt es praktisch nichts, was es bei Zöliakie nicht gibt. Je nach Symptomen müssen dann weitere Blutuntersuchungen ergänzt werden.
Wie sollten die Nährstoffdefizite ausgeglichen werden?
Die normale Quelle für alle Nährstoffe ist selbstverständlich unsere Ernährung. Dazu ist es notwendig zu wissen, welche Lebensmittel welche Vitamine und Mineralstoffe enthalten. Das kann dir am besten eine professionelle Ernährungsfachkraft vermitteln. Bei einem solchen Gespräch kann auch darauf eingegangen werden, was du gerne isst und was du überhaupt nicht magst. Zum anderen muss man manchmal beachten, dass sich Inhaltsstoffe in Lebensmitteln gegenseitig bei der Aufnahme behindern. So können Phytate in Hülsenfrüchten die Aufnahme von Zink und Eisen reduzieren. Oder die Oxalsäure in Spinat und Rhabarber die Resorption von Calcium verhindern. Andersherum steigert aber z.B. der gleichzeitige Verzehr von Vitamin C aus einem Glas Orangensaft die Aufnahme von Eisen, vor allem aus pflanzlichen Lebensmitteln wie Amaranth, Quinoa und Hirse. Es reicht also nicht immer aus, sich im Internet zu informieren, welche Lebensmittel welche Nährstoffe enthalten, sondern man muss auch mögliche Wechselwirkungen kennen. Das kann man dann berücksichtigen, um eine bestmögliche Versorgung zu erreichen.
Wann sollten Nahrungsergänzungsmittel zum Einsatz kommen?
Ein Ausgleich der Defizite über die Ernährung benötigt einige Zeit. Denn zunächst muss die Entzündung so weit abklingen, dass sich die Schleimhaut regenerieren kann. Erst dann findet ja wieder eine regelrechte Aufnahme der Nährstoffe statt. Sind die Mängel sehr ausgeprägt oder die Beschwerden sehr belastend – was bei einer Blutarmut bei deutlichem Eisenmangel der Fall sein kann – muss man überlegen, ob hier nicht eine zusätzliche medikamentöse Ergänzung stattfinden sollte.
Gut zu wissen!
Nahrungsergänzungsmittel müssen von Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung in der Regel selbst getragen werden. Es gibt nur wenige Ausnahmen - wie z.B. die Ergänzung mit Eisenpräparaten bei nachgewiesener Blutarmut - die von der Krankenkasse erstattet werden
Dein Arzt kann dir nun Tabletten verschreiben und die Apotheke kann dir zu bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln raten. Aber auch bei Tabletten oder Säften ist zunächst das Problem vorhanden, dass die noch entzündete und abgeflachte Schleimhaut das Angebot nicht gut verwerten kann. Gerade beim Eisen kann es dadurch vermehrt zu Nebenwirkungen kommen, da die Präparate von vielen nicht gut vertragen werden. Es kommt häufiger zu Appetitlosigkeit, Übelkeit, Verstopfung und Bauchschmerzen – also alles Symptome, die du von deiner Zöliakie vielleicht sowieso schon hast.
Tipp
Warte mit der Einnahme von Eisenpräparaten etwa 3 Monate ab, bevor du damit startest. Dann hat sich deine Schleimhaut schon ein wenig erholt und kann das Eisen auch aufnehmen.
Im Falle von Eisen kann bei einer ausgeprägten Anämie mit entsprechenden Beschwerden auch eine Infusionstherapie in Betracht gezogen werden. Früher hatten diese Eiseninfusionen schwere Nebenwirkungen im Sinne von allergischen Reaktionen. Daher besteht oft noch eine große Zurückhaltung, Eiseninfusionen zu geben. Die heutigen Präparate sind deutlich besser verträglich und dafür geeignet, das Eisen schnell und unabhängig von der Darmschleimhaut in den Körper zu bringen. Das lindert dann so schnell wie es gehen kann die Symptome.
Bei anderen Defiziten ist es tatsächlich meistens ausreichend, entsprechende Präparate zu geben. Dabei sollte man darauf achten, dass sie vom Körper bestmöglich aufgenommen werden können. Das nennt man Bioverfügbarkeit. Diese ist davon abhängig, in welcher chemischen Verbindung das Mineral dem Körper angeboten wird.
Um das verständlicher zu machen, nehmen wir das Beispiel Zink:
Zinksulfalt oder Zinkoxid werden nicht so gut aufgenommen und können Magen-Darm-Beschwerden auslösen, sind aber meist preislich deutlich günstiger. Zinkacetat wird schon besser aufgenommen. Und Zinkgluconat, -citrat und -picolinat werden am besten aufgenommen. So kann man sich ein gut wirksames Präparat heraussuchen oder von Arzt bzw. Apotheke empfehlen lassen.
Praxistipp
Wie oben schon erwähnt kann die Aufnahme von Zink durch Lebensmittel, die Phytinsäure enthalten wie Hülsenfrüchte, aber auch Kaffee, vermindert werden. Und wenn du gleichzeitig Milchprodukte, die viel Calcium enthalten, isst, wird das Zink auch nicht gut resorbiert. Daher nimm Zink vor dem Frühstück ein und nicht mit Milch oder Kaffee!
Das Beste aus zwei Welten – Ernährung und Tablette
Am liebsten wird es dir vermutlich sein, wenn du so wenig wie möglich Tabletten einnehmen musst. Und letztlich ist es auch das Ziel, die Nährstoffe möglichst vollständig über die Ernährung aufzunehmen. Daher ist es durchaus sinnvoll, mit einer erfahrenen Ernährungsfachkraft zu besprechen, wie dir das mit deiner Ernährung gelingen kann. So kannst du über deine Ernährung z.B. deinen Calciumbedarf decken, indem du ausreichend Milchprodukte oder calciumangereicherte Milchersatzprodukte und calciumreiches Mineralwasser zu dir nimmst. Vitamin D dagegen ist sehr schwer über die Ernährung zu decken, da in kaum einem Lebensmittel wirklich ausreichend davon enthalten ist. Daher kann hier eine Ergänzung über Tabletten die Versorgung sicherstellen.
Tipp
Vitamin D ist ein fettlösliches Vitamin. Nimm es daher zu einer Mahlzeit ein, die auch Fett enthält. So erreichst du, dass das Vitamin D auch tatsächlich aufgenommen wird.
Das Gießkannenprinzip – viel hilft viel?
Andererseits haben viele Betroffene gerade am Anfang das Gefühl, sie müssten doch irgendetwas an Tabletten oder ähnlichem einnehmen und nicht „nur“ ein anderes Brot kaufen. Dann greifen sie gerne zu einem Multivitaminpräparat A – Z, um „alles“ aufzufüllen. Das ist natürlich nachvollziehbar. Dennoch möchte ich dir zu bedenken geben, dass die Zusammensetzung von einer Multivitamintablette mit großer Wahrscheinlichkeit nicht dem entspricht, was DU brauchst, um DEINE Nährstoffmängel auszugleichen. Zudem werden in einem solchen Präparat vielleicht Komponenten enthalten sein, die du gar nicht gut aufnehmen kannst. Nimmst du mehrere Präparate ein, kann es auch zu Überdosierungen kommen. Daher bin ich kein großer Freund davon, einfach mal eine Tablette oder gar mehrere zu schlucken. Und schon gar nicht dauerhaft, weil du denkst, es kann ja nicht schaden, ein paar Vitamine einzunehmen. Wichtig wäre, dass dein Arzt untersucht, wo die Defizite liegen und dann gezielt ergänzt wird. Das sollte dann auch kontrolliert und beendet werden, wenn deine Speicher wieder gefüllt sind.
Da sich viele Ärzte oft schwertun, so viele Untersuchungen anzuordnen, kannst du auf die Zöliakie-Leitlinie verweisen. Darin haben die Experten festgehalten, welche Tests zu Beginn und auch später im Verlauf sinnvoll sind. Daran kann man sich orientieren – das entspricht einer guten Versorgung für jeden Zöliakie-Betroffenen.
Kurz zusammengefasst
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Die häufigsten Nährstoffmängel betreffen Eisen, Folsäure, Vitamin B12, Calcium und Vitamin D, aber auch Zink sollte beachtet werden.
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Bei neu diagnostizierten Zöliakie-Betroffenen wird in der Zöliakie-Leitlinie empfohlen, dass diese Mängel untersucht werden. Auf diese darfst du dich beziehen.
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Ein Auffüllen der nachgewiesenen Defizite kann über die Ernährung (mit Unterstützung durch eine Ernährungsfachkraft) oder über Medikamente bzw. Nahrungsergänzungsmittel erreicht werden. In einigen Fällen kann es notwendig sein, einen ausgeprägten Mangel auch durch eine Infusion auszugleichen.
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Entsprechende Kontrolluntersuchungen sollten erfolgen, um zu sehen, dass die Speicher sich füllen.