In diesem Beitrag möchte ich dir erklären, was in deinem Körper bei einem Diätfehler passiert. Ich möchte dir auch die Hintergründe erläutern, warum ein „Cheat-Day“ keine gute Idee ist und der Arzt, der dir sagt, dass ein Sonntagsbrötchen nicht schadet, leider nicht Recht hat.
Was passiert denn nun genau im Darm, wenn du Gluten isst?
Kurz gesagt: Wenn du Gluten zu dir nimmst, beginnt der Immunprozess von neuem. Du kannst dir das in etwa so vorstellen: Die Auswirkungen am Dünndarm ähneln ein bisschen einer Wunde an der äußeren Haut: Du hast dich ja bestimmt schon einmal in den Finger geschnitten– es hat geblutet und ein paar Tage weh getan. Dann ist die Wunde verheilt und alles war wieder okay.
So ähnlich ist es bei einem einzelnen Diätfehler. Wenn du Gluten isst, reagiert das Immunsystem mit der Zöliakie-typischen Entzündungsreaktion. Wenn man die Dünndarmschleimhaut sehr genau untersucht (z.B. mit einem Elektronenmikroskop), kann man auch kleine Veränderungen an den Zellen sehen. Viele Betroffene haben dabei verschiedene Beschwerden wie Erbrechen, Durchfall und Bauchschmerzen. Nach ein paar Tagen ist es meist vorbei, die Entzündung klingt ab und die Symptome damit auch. Das soll nicht heißen, dass ein Diätfehler egal ist. Aber Fehler können passieren. Man sollte sich möglichst merken, wie der Fehler zustande kam und ihn nach Möglichkeit nicht noch einmal machen.
Keine Panik, aber Vorsicht…
Man muss daher nicht in Panik verfallen, wenn ein Diätfehler passiert. Aber man sollte unbedingt versuchen, regelmäßige oder häufigere Fehler zu vermeiden.
Keine Sorge, die Darmzotten sind nach einem einzigen Fehler nicht wieder komplett weg. Sie werden nicht abrasiert, wie sich das manche vorstellen. Auch das, was man über Jahre mit guter Diätführung gehegt hat, ist nicht wieder durch einen einzelnen Fehler völlig zerstört. Die Abflachung der Zotten ist ein Prozess, der etwas Zeit in Anspruch nimmt, zumindest wenige Wochen.
Bei einem Diätfehler werden aber Schleimhautzellen geschädigt. Diese werden dann vom Körper abgestoßen und durch neue ersetzt. Je schneller Fehler auf Fehler folgt, umso weniger hat der Körper Zeit, die Schleimhaut dazwischen wieder zu reparieren und der Schaden wird mit der Zeit immer etwas größer als beim Mal davor.
Einen einzelnen Fehler wird man auch nicht im Blut durch einen Anstieg der Antikörper sehen. Denn diese werden zunächst in der Darmschleimhaut gebildet und sind erst dann im Blut zu sehen, wenn es in der Schleimhaut zu viele sind. Ähnlich wie ein Waschbecken, das verstopft ist und dann irgendwann überläuft. Auch bei unregelmäßigen und sehr kleinen Fehlern sieht man das nicht immer an den Antikörperwerten. Wenn man dann trotzdem den Verdacht hat, dass häufiger Fehler passieren könnten, muss man evtl. auch eine Magenspiegelung machen und die Schleimhaut biopsieren (Gewebeproben entnehmen). Liegt der Fall andersherum, kann man aber ziemlich sicher sein: findet man erhöhte Transglutaminase-Antikörper im Blut, sind Diätfehler der wahrscheinlichste Grund.
Um bei unserem Bild an der äußeren Haut zu bleiben: Häufigere Diätfehler sind wie wenn man immer wieder auf dieselbe Stelle am Knie fällt und die noch nicht ganz verheilte Wunde wieder aufreißt. Dann wird sich irgendwann eine tiefe Wunde entwickeln, die nicht gut abheilt und sich entzündet.
Welche Symptome können bei Diätfehlern entstehen?
Grundsätzlich können nahezu alle Beschwerden auftreten, die man auch sonst bei Zöliakie vor der Diagnosestellung hatte. Viele berichten bei einem einzelnen Fehler über Magen-Darm-Symptome wie Bauchschmerzen, Durchfall, aber auch Übelkeit oder starkes Erbrechen. Tatsächlich sagen nicht wenige Zöliakie-Patienten, dass sie nach Umstellung auf die glutenfreie Ernährung bei einem Diätfehler mit Erbrechen reagieren, was sie davor nicht hatten. Das kann in wenigen Fällen auch sehr heftig sein und zu Kreislaufreaktion und Erschöpfung führen. Im Allgemeinen sind die Symptome aber deutlich weniger dramatisch, trotzdem für den Betroffenen unangenehm und belastend.
Neben den gerade beschriebenen Symptomen können auch Kopfschmerzen oder Migräneattacken, Abgeschlagenheit oder Müdigkeit, Veränderungen an der Mundschleimhaut (Aphthen) und auch Hautreaktionen entstehen. Manche berichten auch über Knochen- oder Muskelschmerzen. Die Vielfalt ist fast so groß wie auch schon vor der Diagnosestellung.
Vitamin- und Mineralstoffmangel, Minderung der Knochendichte oder negative Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit oder auf eine Schwangerschaft sind bei ständigen und über einen längeren Zeitraum auftretenden Diätfehlern zu befürchten.
Ich merke einen Diätfehler gar nicht - dann passiert auch nichts?
Es gibt Zöliakie-Betroffene, die nach einem Diätfehler keine Beschwerden haben. Dann ist oft der erste Gedanke: Dann ist ja auch gar nichts passiert, sonst hätte ich ja etwas davon merken müssen! Das ist leider so nicht richtig. Denn auch wenn keine Beschwerden spürbar sind, wird die Reaktion des Immunsystems am Darm trotzdem in Gang gesetzt. Warum manche Personen gar nichts merken und andere nicht mehr von der Toilette kommen, ist bislang nicht geklärt. Aber wenn du zu denen gehörst, die keine Beschwerden haben, solltest du besonders wachsam sein, damit dir nicht unbemerkt immer wieder Fehler unterlaufen. Denn auf Dauer könnten sich dann durchaus körperliche Veränderungen entwickeln.
Dann gönne ich mir einfach ab und zu ein Sonntags-Brötchen…
Wovon wirklich abzuraten ist, ist ein „Cheat-Day“, an dem man bewusst etwas Glutenhaltiges isst. Denn du tust dir damit nicht wirklich etwas Gutes. Wie ich schon sagte, wird die Immunreaktion bei jedem Mal, wenn du Gluten zu dir nimmst, wieder getriggert. Wenn die Motivation nachlässt, werden sich die Fehler häufen: erst ist es nur Weihnachten, dann auch Ostern und der Geburtstag. Dann ist es jeden Sonntag ein Brötchen usw. Der Körper merkt sich das und die Zöliakie wird dann auch wieder so aktiv, dass sich möglicherweise Komplikationen entwickeln. Die verminderte Knochendichte, erhöhte Leberwerte und der Eisenmangel machen lange keine Beschwerden, sondern erst, wenn das schon recht ausgeprägt ist oder man gezielt danach sucht. Wenn du nun weißt, dass dieses aktivierte Immunsystem schlecht für dich ist, schmeckt das normale Brötchen wahrscheinlich auch schon nicht mehr so gut.
Was sagt die Wissenschaft dazu?
Es gibt einige Studien, die untersucht haben, welche Glutenmengen zu Veränderungen an der Schleimhaut führen. Eine italienische Studie (1) zeigte, dass die Aufnahme von bis zu 10 mg Gluten am Tag für Zöliakie-Patienten sicher ist, bei 50 mg am Tag zeigten sich schon nach 6 Wochen eindeutige Veränderungen an der Schleimhaut. Eine weitere Literaturübersicht (2) beschrieb das Risiko für einen Rückfall der Zöliakie mit 0,2% bei 6mg Gluten am Tag, mit 7% bei 150 mg, mit 50% bei knapp 900mg, mit 80% bei knapp 1,3g und mit 100% bei 1,5g Gluten am Tag. Erinnere dich an das Rechenbeispiel von oben: 150 mg Gluten sind in 2,4 g Weizenbrot, 900 mg Gluten in unter 15g Brot, also nicht einmal einer Drittel Scheibe!
Die Untersuchungen verdeutlichen, dass bei Zöliakie schon sehr geringe Mengen an Gluten ausreichen, um die Erkrankung aktiv zu halten oder wieder aktiv werden zu lassen.
Kurz zusammengefasst
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Auch ein einzelner Diätfehler löst die Immunreaktion im Darm aus. Du hast vermutlich kurze Zeit Symptome, dann heilt die Schleimhautveränderung wieder ab.
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Keine Panik bei einem Fehler – du fängst nicht wieder von vorne an.
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Fehler sind menschlich - Versuche, den Fehler beim nächsten Mal zu vermeiden! Lernen ist ein fortlaufender Prozess, der täglich weitergeht.
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Je häufiger die Fehler passieren, umso stärker wird die Zöliakie wieder aktiv und schadet deiner Gesundheit.
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Bewusste Fehler schwächen die Motivation und die Fehler häufen sich. Du tust dir und deinem Körper damit keinen Gefallen.
Quellen:
(1) Catassi C et al. A prospective, double-blind, placebo-controlled trial to establish a safe gluten threshold for patients with celiac disease. Am J Clin Nutr 2007
(2) Rostami-Nejad M et al. Systematic Review and Dose-Response Meta-Analysis on the Relationship between Different Gluten Doses and Risk of Coeliac Disease Relapse. Nutrients 2023