Um es gleich vorwegzunehmen – die Zöliakie wird nicht durch ein krankes oder mutiertes Gen ausgelöst. Sie ist keine Erbkrankheit. Dennoch spielt die Genetik eine zentrale Rolle bei der Entstehung einer Zöliakie und Familienangehörige haben ein höheres Risiko, ebenfalls zu erkranken.
Denn die Person, die an Zöliakie erkrankt, muss dafür eine gewisse Voraussetzung an genetischen Merkmalen in sich tragen. Die wichtigsten Marker bezeichnet man mit HLA-DQ2 und HLA-DQ8.
HLA ist die Abkürzung für humanes Leukozyten-Antigen. Das sind Gewebsmerkmale, die auf unseren weißen Blutkörperchen (und anderen Zellen) angeordnet sind. Sie sind z.B. wichtig für eine Organtransplantation, da unser Immunsystem daran körpereigene und körperfremde Zellen unterscheiden kann. Es gibt viele unterschiedliche HLA-Merkmale, die mit bestimmten Buchstaben- und Zahlenkombinationen (wie eben DQ2 oder DQ8) näher beschrieben sind.
Diese genetischen Merkmale werden von den Eltern weitervererbt, so dass diese bereits mit der Geburt vorhanden sind. Das bedeutet auch, dass jedes dieser Merkmale doppelt vorhanden ist, da es ja immer von beiden Elternteilen weitergegeben wird. Dabei kann es vorkommen, dass beide Eltern das gleiche Merkmal weitergeben – das nennt man homozygot. Vererben beide Eltern unterschiedliche Ausprägungen eines Merkmals, dann bezeichnet man dies als heterozygot.
Beispiel:
90-95% aller Zöliakie-Betroffenen tragen das Merkmal HLA-DQ2, bei den übrigen 5-10% kann man HLA-DQ8 nachweisen. Die Zahl an Personen, bei denen keines der Merkmale aufzufinden ist, aber doch eindeutig eine Zöliakie besteht, liegt im Promillebereich. HLA-DQ2 und -DQ8 sind die wichtigsten Gene, aber nicht die einzigen, die eine Zöliakie möglich machen. Diese Zahlen verdeutlichen jedoch, dass eine Zöliakie mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, wenn man weder HLA-DQ2 noch -DQ8 nachweisen kann.
Das kann man nun für die Diagnostik ausnutzen:
Wenn es bei einer Person nicht sicher ist, ob sie oder er eine Zöliakie hat, kann man über den Gentest schauen, ob diese möglich wäre oder auszuschließen ist. Liegt weder HLA-DQ2 noch -DQ8 vor, ist es sehr unwahrscheinlich, dass diese Person an Zöliakie erkrankt ist oder jemals daran erkrankt.
In Frage kommt dieser Test vor allem bei
- Kindern von Zöliakie-Betroffenen, um ihnen Blutuntersuchungen zu ersparen
oder
- für Personen, die sich bereits glutenfrei ernähren, aber keine sichere Diagnose haben. Da unter glutenfreier Ernährung keine Zöliakie-Diagnostik möglich ist, kann die Genetik helfen, diese Möglichkeit einzugrenzen
oder
- Personen mit erhöhtem Risiko für eine Zöliakie (wie Trisomie 21 oder Turner-Syndrom)
Zum Nachweis einer Zöliakie ist die genetische Untersuchung allerdings nicht geeignet. Denn etwa 25% aller Menschen in unserer Bevölkerung tragen das Merkmal HLA-DQ2 und weitere 5% das Merkmal HLA-DQ8. Von diesem Drittel der Bevölkerung erkranken aber nur ca. 2% an Zöliakie. Auch wenn man also einen der beiden Marker bei einer Person findet, ist es eher wahrscheinlich, dass sie nie eine Zöliakie bekommt.


Wichtig
Man darf nie nur auf Grund des Gentests die Diagnose Zöliakie stellen und eine glutenfreie Ernährung empfehlen.
Die Genetik hat auch einen Einfluss auf die Verlaufsform:
Liegt das Merkmal HLA-DQ2 doppelt, also homozygot vor, kommt es eher zu einer früher im Kindesalter auftretenden klassischen Form. Zudem ist das Risiko ca. 5-mal höher, an Zöliakie zu erkranken als bei Vorliegen von einem einzelnen, also heterozygoten Merkmal. Liegt dagegen das Merkmal HLA-DQ8 nur einmal vor, ist eher ein milderer Verlauf mit wenigen Beschwerden und eher späterem Auftreten zu erwarten.